Akademisches Profil

Utopie Bielefeld

 (erstes Arbeitsfeld)

Nach Studium in Münster (Germanistik, Geschichte) und an der neu eröffneten Universität Bielefeld (mit den Schwerpunkten Allgemeine Literaturwissenschaft/ Germanistik, auch Linguistik, und Geschichtswissenschaft als Struktur- und Gesellschaftsgeschichte bei Hans-Ulrich Wehler, Jürgen Kocka und Reinhart Koselleck) war ich für vier Jahre Assistent Wilhelm Voßkamps am „Zentrum für interdisziplinäre Forschung“ der Universität Bielefeld (ZiF). Ich habe dort eine Vielzahl wissenschaftlicher Tagungen begleitet, insbesondere aber für ein Jahr eine Forschergruppe zur „Funktionsgeschichte literarischer Utopien in der frühen Neuzeit“ betreut und mitorganisiert (Fellows waren Karl Otto Apel, Klaus L. Berghahn, Karl Heinz Bohrer, Norbert Elias, Lars Gustafsson, Uwe Peter Hohendahl u. v. a.). Ich selbst habe in diesem Kontext über Theorien der Utopie und einzelne utopische Texte (von Wieland, Mercier u. a.) gearbeitet. Auch mein Dissertationsthema zur „Geschichte der Robinsonaden in Deutschland“ gehört diesem ersten wissenschaftlichen Schwerpunkt an.

Forschungsimperativ „Zentrum für interdisziplinäre Forschung“ und Theorieentwicklung

(zweites Arbeitsfeld)

Entscheidend war für mich der Forschungsimperativ, der mit dem „Zentrum für interdisziplinäre Forschung“ als dem Kern der neuen Universität verbunden war; es ging hier darum, in systematischer Perspektive gemeinsame wissenschaftliche Probleme zu identifizieren und sie auf einer Abstraktionsstufe, die über das je einzelne Fach hinausweist, so zu formulieren, dass eine interdisziplinäre Kooperation möglich wurde. Aus diesem Impetus ist eine Reihe wissenschaftlicher Tagungen hervorgegangen, die ich in den Folgejahren organisiert habe (Diskursanalyse, Systemtheorie bis hin zum DFG-Symposion „Rhetorik“). Mein Lehrstuhl mit der Denomination „Neuere deutsche Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft“ an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (ab 1991/1992)ermöglichte es mir, diese Grundlagenreflexion immer wieder neu zu eröffnen.

Wissenschaftsgeschichte der Germanistik und Wissenskulturen

(drittes Arbeitsfeld)

Neuer Arbeitsschwerpunkt, der nach der Zeit am ZiF in den 1980er Jahren entwickelt wurde, war die Wissenschaftsgeschichte. Hier ging es (über DFG-Projekte und in Zusammenarbeit insbesondere mit Wilhelm Voßkamp) um eine wissenschaftshistorische Rekonstruktion der Germanistik, der Literaturgeschichtsschreibung und auch der Komparatistik im Transformationsprozess zwischen 17. Jahrhundert und Gegenwart. Meine Habilitationsschrift zur „Geschichte der Literaturgeschichtsschreibung in Deutschland“ gehört diesem Interessengebiet an. Daneben stand immer wieder die Analyse von ‚Wissenskulturen’ und ihre Bedeutung für die Wissensproduktion im Mittelpunkt.

Medienwissenschaften in Bonn und Köln

 (viertes Arbeitsfeld)

Ein ebenfalls neuer Schwerpunkt ergab sich aus meiner Arbeit am Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg/SFB 427 „Medien und kulturelle Kommunikation“, dessen Ko-Direktor ich für 6 Jahre war (Forschungsverbund der Universitäten Aachen, Bonn und Köln). Seit dieser Zeit beschäftige ich mich intensiv mit medienwissenschaftlichen Fragen, habe hierzu inzwischen eine ganze Reihe von Tagungen durchgeführt und eine Serie von Publikationen vorgelegt (etwa mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die umfangreiche Rekonstruktion ‚Gelehrte Kommunikation zwischen Humanismus und 20. Jahrhundert’ und eine Ende 2006 durchgeführte Tagung zur „Kommunikation der Gerüchte“). Insbesondere ging es mir hier um die Beziehung zwischen massenmedialer Kommunikation und der gleichzeitigen Tendenz zur Monumentalisierung der Gesellschaft, die ich sowohl aus medien- als auch aus literaturwissenschaftlicher Perspektive untersucht habe. Zwischen Juli 2007 und 2010 habe ich ein DFG-Projekt geleitet, das sich mit der Transformation von ‚Aufklärung zu Unterhaltung’ zwischen 1780 und 1830 beschäftigte, dabei die sog. ‚Biedermeierzeit’ noch einmal neu zu lesen versuchte und auf diese Weise obige Fragestellungen weiter verfolgte (die Ergebnisse des Projekts finden sich u. a. in: Anna Ananieva, Dorothea Böck, Hedwig Pompe, Auf der Schwelle zur Moderne: Szenarien von Unterhaltung zwischen 1780 und 1840. Vier Fallstudien, 2 Bde., Bielefeld: Aisthesis 2015). Eine umfassende Gegenwartsdiagnose unserer öffentlichen Kultur haben Arno Orzessek und ich in dem zusammen mit dem Bundespresseamt und dem Staatsminister für Kultur in Berlin veranstalteten Kongress zu den „Zerstreuten Öffentlichkeiten“ anzuregen versucht.

Politische Theologie in Bonn

(fünftes Arbeitsfeld)

Ein weiterer Schwerpunkt datiert ebenfalls seit den 1980er Jahren und ist seitdem in vielen Varianten für meine Forschungen bestimmend geblieben. Es ging um Konzepte und die unterschiedlichen Rhetoriken von Messianismus und politischer Theologie. Am Anfang stand eine genauere Beschäftigung mit der ‚Sprache der Apokalypse’, dann meine Arbeit im Bonner SFB „Judentum und Christentum“ (Redeformen politischer Theologie) und schließlich, nach meinem Rektorat, das Buchprojekt zu „Feindschaft/Kultur“ (apokalyptischer Diskurs, die Frage des ‚Kommensalischen und des Opfers, die Politik der Gabe, die Struktur der Tragödie und Freuds Psychoanalyse, Fragen der Souveränität, Carl Schmitts und Hannah Arendts Konzept des Politischen). In diesen Kontext gehören auch die Arbeiten zur Repräsentation der Shoah (zusammen mit der Universität Madison/Wisc.), zum Eichmann-Prozess in Jerusalem u. a.

Theorie der (kulturellen) Form

(sechstes Arbeitsfeld)

Ein sechster Schwerpunkt lässt sich als „Theorie der (kulturellen) Form“ fassen; es geht hier um sowohl historische als auch gegenwärtige Konzepte, die Text-Kontext-Bezüge in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen, und zwar so, dass ‚Welt als kulturell geprägte Form’ analytisch erschlossen wird. Dies interessiert mich sowohl in historischer Perspektive, aber auch in methodologischer Ausrichtung und im Sinne einer Theorie der Kultur und der Kulturwissenschaften. Auch hier liegen inzwischen etliche Arbeiten (zuletzt auch in Kooperation mit der Universität Luxemburg) vor. In den letzten Jahren haben meine Untersuchungen zu ‚Welt als Form‘ sich auch vermehrt Rhetoriken des Populismus, der Polemik, dem politischen wie ästhetischen Manifest gewidmet.

Zeitdiagnostik in den Krupp-Reimers Forschungskolloquien

(siebtes Arbeitsfeld)

Zeitdiagnostische Aufsätze und Herausgeberschaften sind vor allem im Kontext meiner Teilnahme an den Krupp-Reimers Forschungskolloquien entstanden, die von 2016 bis 2022 regelmäßig in der „Werner Reimers Stiftung“ in Bad Homburg v.d.H. stattgefunden haben (zwischen Diagnosen zur Rolle der Intellektualität heute und zuletzt „Totalität und Radikalität“).

Alle diese Untersuchungen wollen nicht einseitig konzeptuell ausgelegt sein, sondern verbinden medien- und literarhistorische Analysen mit generelleren Fragestellungen. Dies gilt seit meinen ersten Arbeiten zu Gattungen und Formen des späten 17. und 18. Jahrhunderts und zu einzelnen Autoren der Aufklärung, Klassik und Romantik, zum Vormärz, zum Realismus, zur Gegenwart, zu den Konstitutionsweisen des Nationalismus und zu den Funktionen eines ‚ästhetischen Imperativs’. Stets ging es darum, methodologische und gegenstandsbezogene Hinsichten miteinander zu verbinden. Dabei sind mir ein historischer Zugang und eine Verbindung von interpretativen und strukturgeschichtlichen Ansätzen besonders wichtig.

Fachpolitik und Geisteswissenschaften

(achtes Arbeitsfeld)

Neben diesen Schwerpunkten habe ich – auch auf Grund meines wissenschaftspolitischen Engagements, seit meiner Zeit als Vorsitzender des Deutschen Germanistenverbandes – immer auch generelle Fragen der Geisteswissenschaften erörtert. Auch hieraus ist eine Reihe von Konferenzen und Publikationen hervorgegangen (seit dem Deutschen Germanistentag 1997 zu Fragen der „Autorität in/der Sprache, Literatur und Neuen Medien“).

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